Macht Platz, Matching-Sets – Activewear macht jetzt richtig Spaß
Eine neue Welle von Gym-Gänger:innen tauscht figurbetonte Silhouetten gegen Secondhand- und Vintage-Fundstücke voller Persönlichkeit.
Figurbetonendes Lycra, monochrome Matching-Sets und steigende Preise – diese Themen haben den Zustand des Activewear-Markts viel zu lange geprägt. Es wurde zur unausgesprochenen Uniform im Gym und ließ wenig Raum für Individualität – doch in den vergangenen Monaten scheint sich das Blatt zu wenden.
Für viele von uns ist der Gedanke, zum Workout ein fast Catsuit-ähnliches Matching-Outfit zu tragen, gelinde gesagt wenig verlockend. Und doch haben wir kollektiv akzeptiert, dass Activewear einfach soaussah. Klar, die Labels hinter diesen koordinierten Sets sind großartig – aber wann haben wir uns alle darauf geeinigt, gleich auszusehen? Seit wann wird persönlicher Stil im Namen von Performancewear auf die Bank verbannt?
Teure Gyms mit Aromatherapie-Saunen, die auf angehende Influencer:innen und die Chelsea-Locals zugeschnitten sind, mögen nach luxuriösen Matching-Sets und knallweißen Sneakern verlangen – doch außerhalb dieser glänzenden Fitness-Bubble fühlt es sich weit authentischer an, etwas Alternativeres zu verkörpern. Ob das nun eher Adam Sandler-Vibes mit weit geschnittenem Graphic-Tee und Basketball-Shorts sind, oder ein 90er-inspirierter Princess Diana-Look mit Oversize-College-Sweatshirt und Radlerhosen – die Stimmung kippt. Komfort, Ausdruck und Nostalgie haben Vorrang vor Konformität. Damit verabschieden wir uns offenbar von den Adanola-Klonen, die im Power-Walk auf dem Laufband mit Steigung unterwegs sind, und sagen Hallo zu etwas deutlich Verspielterem.
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In diesem Jahr gab es eine Welle von TikToker:innen, die ihr alternatives Workout-Gear durch eine Retro-Linse neu definieren. Creatorin Natalia Spotts ging Anfang des Sommers viral mit Videos, mit der Caption: “Mir fällt wieder ein, dass ich freien Willen habe und im Gym auch Vintage tragen kann.” Ihr Feed ist eine Goldgrube für 90er- und Y2K-inspirierte Trackpants, Graphic-Tees und knallbunte Sportswear, die direkt aus der Umkleide von 10 Things I Hate About You stammen könnte. Am Ende gilt: Je eigenwilliger, desto besser.
Auch andere Creator:innen sind aufgesprungen – etwa Isabella Vrana, die statt modernem Minimalismus auf Farbe, Charakter und Layering setzt, während Cierra O’Day, bekannt für ihre Vintage-Luxusfunde, kürzlich ein Gym-Fit komplett aus Secondhand-Schätzen teilte. Stell dir weit geschnittene Sweatpants vor, dazu gelayerte Cropped-Tees und on top kabelgebundene Kopfhörer – eine Zeitkapsel der Y2K-Gymkultur, wiederbelebt.
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Laut der Trend- und Insights-Plattform WGSN, wächst der globale Secondhand-Bekleidungsmarkt dreimal so schnell wie die gesamte Bekleidungsindustrie – allen voran die Gen Z. Fast 40% wenden sich für ihre Alltagsgarderobe dem Resale zu, nicht nur seltenen Designerfunden; logisch also, dass diese Haltung auch bei Sportkleidung ankommt. Die Resale-Plattform Depop meldete kürzlich “Vintage Lululemon” als Trend-Suchbegriff: Gesucht werden tief sitzende, weitbeinige Silhouetten, die den heutigen Streetstyle widerspiegeln – statt der High-Waist-Leggings, die einst den Gym-Floor beherrschten.
Da Fitness zunehmend zu einem sozialen Erlebnis wird – und, Hand aufs Herz, auch zur Content-Gelegenheit –, ist es nur logisch, dass die eigenen Workout-Fits widerspiegeln, wer man ist. Wir haben das schon bei Corporate Officewear gesehen, man denke an Kat From Finance, und bei Supermarkt-Core; als Nächstes ist der Gym-Style dran. Das ist kein Hate gegen Matching-Sets, sondern eine Feier der wachsenden Vielfalt in diesen fluoreszierend ausgeleuchteten Räumen voller keuchender Menschen mit Kopfhörern.
H-O-R-S-E Sport
Während manche Zyniker den Trend als “eklig” abtun, sind erfahrene Secondhand-Fans längst unempfindlich gegenüber dem Gedanken, Kleidung anderer zu tragen (einmal waschen nicht vergessen). Für alle, die noch nicht überzeugt sind, treffen neue Labels den Nerv der Zeit. H-O-R-S-E Sport und Made Some übersetzen Retro-Ästhetik in neue Activewear, lassen den Charme alter Schul-Sportsets und Princess-Diana-Looks aufleben – aber in brandneuer Baumwolle.
Wer sich derweil an Secondhand wagt, für den ist Rummage Stretch ein kuratierter Vintage-Activewear-Shop, der Schätze wie Old-School-Tennis-Kleider und Nike-Capris zutage fördert. Was vor einem Jahr noch extrem nischig klang, erfährt heute immer mehr Anerkennung – ein Blick auf das Instagram-Profil der Marke genügt, und du findest Referenzbilder von 90er-Promis beim Workout und echte Marathonfotos aus den frühen 2000ern. Gründerin Isabella O’Day erzählt: “Ich habe mit ein paar Vintage-Teilen meiner Mutter angefangen, die ich ständig trug, weil sie einfach sexy und schmeichelhaft sind. Dann war ich auf einem Yoga-Retreat und mochte den Gedanken gar nicht, rauszugehen und ein Set zu kaufen, das ich außerhalb des Gyms nie tragen würde. Also habe ich mir eine kleine, coole Yoga-Garderobe aufgebaut.”
Rummage Stretch, fotografiert von Bennet Perez
Mehr als nur ein Stilschwenk fühlt sich der Trend zudem wie eine leise Abkehr von den “besten Po-formenden, taillen-cinchenden, liftenden Booty-Shorts”, die wir nie gebraucht haben, hin zu etwas Freierem und Selbstbestimmterem. Also kram dein altes Snoopy-Pyjama-Tee von 2010 und die Sportshorts deines Bruders hervor – oder durchstöbere Vinted für ein Unikat-Top, das du genauso gut im Gym wie beim Brunch tragen kannst – denn Fitness, Mode und persönlicher Stil müssen nicht miteinander konkurrieren.

















